Interview: Dr. Martin Stürmer


Die Arbeit eines Virologen ist sehr vielfältig. Man kann in der Grundlagenforschung, in der patientennahen Forschung oder auch in Diagnostiklaboren tätig sein – sowohl in universitären als auch in niedergelassenen Laboren. Je nach Schwerpunkt ist alles von investigativ über reaktiv bis hin zu proaktiv möglich. Persönlich hat mich immer die patientennahe Arbeit interessiert, weshalb ich meine Karriere am Robert-Koch-Institut in Berlin begonnen habe und später am Universitätsklinikum Frankfurt am Main ausgebaut habe.

Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass Viren aus dem Tierreich auf den Menschen überspringen können. Wie effektiv dieser Artensprung ist, hängt vom Erreger ab. Während SARS-CoV-2 einen effektiven Sprung vollzogen hat, sind andere Viren wie die aktuelle Variante der Vogelgrippe bisher nur durch sehr engen Kontakt übertragbar. Der intensive Kontakt zwischen Mensch und Tier, wie etwa auf überfüllten Tiermärkten in Asien, sowie das Vordringen des Menschen in tierische Rückzugsgebiete erhöhen das Risiko neuer Krankheiten. Wir müssen uns darauf einstellen, dass in naher Zukunft weitere neue Erkrankungen auftreten könnten, von denen nicht alle pandemisch verlaufen, aber das Risiko bleibt bestehen.

Wir leben grundsätzlich nicht in einer risikofreien Welt. Ich fahre zum Beispiel jeden Tag knapp 50 Kilometer mit dem Auto zur Arbeit, was auch ein Risiko darstellt. Bei SARS-CoV-2 ist es komplexer, aber jede Infektion kann zu schweren Verläufen führen. Das Risiko dafür ist individuell und hängt von der eigenen Konstitution und dem Verhalten im Alltag ab. Auch Impfungen sind nicht ohne Risiko – aber das gilt letztendlich auch für die Einnahme einer Kopfschmerztablette. Die Einschätzung des persönlichen Risikos sollte einige Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens berücksichtigen. Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben, und wenn er das Haus verlassen muss, eine Maske tragen, um andere zu schützen.

Interview: Sarah Tacke


Mich leitet das Ziel, zu erklären, was ist. Ob neue Gesetze zu Abschiebungen oder schwere Wirtschaftsverbrechen wie „Cum Ex“ – jedes Thema versuche ich juristisch so zu durchdringen, dass ich es dann den Zuschauerinnen und Zuschauern klar und anschaulich vermitteln kann. Denn nur was ich selbst verstanden habe, kann ich auch verständlich machen. Außerdem habe ich das Privileg, über die Plattform ZDF Schwachstellen in Gesetzesvorhaben oder in der Justiz oder in unserer Gesellschaft einem großen Publikum gegenüber öffentlich zu machen. Diese Wirkmacht, zum einen Orientierung zu geben in Welten, die sich nicht immer leicht erschließen lassen, und zum anderen Missstände öffentlich zu machen und damit auch Veränderungsprozesse anzustoßen – das ist es, was mich antreibt. Verpflichtet fühle ich mich dabei der Suche nach Klarheit und Wahrheit.

Als ich vor 15 Jahren beim NDR ein Volontariat, also die Ausbildung zur Journalistin, begonnen habe, war die Stimmung eine andere. Institutionen wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk genossen noch ein ganz anderes Vertrauen. Wie und wieso ist dieses Vertrauen Schritt für Schritt geschwunden? Das frage ich mich immer wieder. Und verstehe es als Herausforderung und Aufgabe zugleich, wieder dahin zu kommen, mehr Vertrauen geschenkt zu bekommen. Der Weg kann in meinen Augen nur sein, auch die anzusprechen, die sich abgewendet haben. Filterblasen müssen aufgebrochen werden. Und Transparenz über eigenes Arbeiten, eigene Fehler öffentlich zu korrigieren und auch die eigenen Strukturen immer wieder zu hinterfragen und zu verbessern, ist unerlässlich. Ich sehe dabei meine Aufgabe vor allem darin, hartnäckig zu sein, nachzuhaken und aufzuklären, wo immer ich kann.

Ganz klar ja. Für die Evangelische Kirche, genau wie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ist es wichtig, für jede und jeden erreichbar zu sein. Und dafür muss man dahin gehen, wo man viele erreichen kann, zu deren Routine es nicht gehört, sonntags in die Kirche zu gehen oder täglich das heute Journal zu schauen. Deshalb ist TikTok eine Plattform, auf welcher sich „die Institutionen“ bewegen sollten. Wir haben mit „@die.juristen“ einen eigenen Kanal auf TikTok und Instagram, auf dem wir mit unseren juristischen Inhalten junge Menschen erreichen – man darf uns aber auch mit Ü60 folgen.
Foto: Oliver Tamagnini

Interview: Mike Josef


Frankfurt ist eine permanent wachsende, multikulturelle Stadt mit nahezu 780.000 Einwohner:innen. Frankfurt steht zusammen und lässt sich nicht spalten – das ist mir als Oberbürgermeister aller Frankfurterinnen und Frankfurter wichtig. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt haben mit großen Demos gegen rechts gemeinsam ein starkes Zeichen gesetzt. Sie haben gezeigt: Nazis, Antisemiten und Rassisten, Hass und Spalterei sind bei uns nicht willkommen. Ein modernes Frankfurt braucht zudem eine starke Wirtschaft, um soziale Stadt sein zu können. Wir investieren in die soziale, kulturelle und ökologische Infrastruktur und vor allem in die Bildung unserer Kinder und in die Weiterbildung aller Frankfurterinnen und Frankfurter. Ich möchte die bezahlbare Stadt. Wir sind Stadt der Bildung und des sozialen Zusammenhalts.

Als Oberbürgermeister können Sie unmöglich aller Welt Freund sein. Ich trete jeden Tag dafür an, das Beste für Frankfurt zu erreichen. Dass ich es dabei nicht jedem recht machen kann, gehört dazu. Und manches dauert auch länger, als ich es mir vorstelle. Ich bin dafür überzeugt, dass wir im Magistrat vieles schaffen, wenn wir gemeinsam zum Wohle der Stadt agieren. Dazu gehört es, ab und zu Kompromisse einzugehen. Gemeinsam sind wir stark und ich bin froh, dass wir Erfolge erzielt haben, etwa die AMLA, die nach Frankfurt kommt, bei den Städtischen Bühnen ging es voran, im Haushalt sind 500 Mio. Euro für Bildung in den nächsten drei Jahren veranschlagt, im Bahnhofsviertel zeigen Maßnahmen erste Wirkungen. Weiteres wird folgen. Wir arbeiten hart, um Frankfurt nach vorne zu bringen.

Die Work-life-Balance ist in aller Munde. Als junger OB mit Familie gefragt: Es ist mir wichtig, dass alle Lebensbereiche genügend Platz im vielschichtigen Alltag bekommen. Und zwar so, dass es für alle Beteiligten passt und auch um selbst zufrieden zu sein. Das heißt aber nicht, dass alle Bereiche immer in kompletter Balance sind, wie es die Work-Life-Balance ja impliziert. Ich bin mit ganzem Herzen Oberbürgermeister, da gibt es eigentlich immer etwas zu tun und das bedeutet auch, dass die Tage oft lang sind. Das habe ich vorab mit meiner Familie besprochen. OB in Teilzeit zu sein, das kann ich mir derzeit nur schwer vorstellen, auch wenn ich im Magistrat Kolleginnen und Kollegen wie etwa die Bürgermeisterin habe, die mich vertreten können. Prinzipiell arbeite ich gern und tanke dabei auch auf.

Interview: Prof. Dr. Norbert Frei


Ich kann gar nicht finden, dass es so schwer ist. Nehmen Sie das Grundgesetz, dessen 75. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen, und das darin schon angelegte, wenn auch noch nicht ausformulierte Konzept der „wehrhaften Demokratie“, das im Lauf der Geschichte der Bundesrepublik immer klarer wurde. In diesem Sinne ließe sich eine Menge nennen, was zeigt, dass die Deutschen aus ihrer Geschichte gelernt haben. Wobei wir dieses Lernen – aus guten Gründen – bis heute ja vor allem auf das Scheitern der Weimarer Republik und das „Dritte Reich“ mit seinen ungeheuren Verbrechen beziehen. Entsprechend tief geprägt ist die Entwicklung der politischen Kultur der Bundesrepublik von der zwar zäh in Gang gekommenen und mit Rückschlägen behafteten, am Ende aber doch erfolgreichen selbstkritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Diese „Aufarbeitung“ ist zu einem wesentlichen Element der Identität unserer Demokratie geworden. Und das gilt es jetzt zu verteidigen: In einem Moment, in dem dieses Selbstverständnis – wie häufig gesagt wird, unsere Erinnerungskultur – von der radikalen Rechten, aber auch von postkolonialen Linken angegriffen wird.

Ich sehe sie im rasanten Aufstieg der AfD, die ja eine ganze Weile lang – wie die meisten Rechtsparteien in der Geschichte der Bundesrepublik – nicht allzu erfolgreich war. Entsprechendes galt in der Weimarer Republik für die NSDAP, die dann aber in der Weltwirtschaftskrise seit 1930 enormen Zulauf bekam. Ähnlich verhielt es sich mit der AfD bei der Migrationskrise 2015 und verhält es sich in den „multiplen Krisen“ seitdem. Das heißt nicht, dass wir in einer Situation sind wie Anfang der 1930er Jahre. Aber wir sollten uns daran erinnern, wie wichtig es ist, dass die demokratischen Parteien die „Brandmauer“ aufrecht erhalten – und nicht wie damals Koalitionen eingehen im Glauben, man könne die radikalen Rechten „zähmen“.

Ich denke, die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert sollte nicht nur mit Blick auf den „Zivilisationsbruch“ des Holocaust gelehrt werden, sondern auch hinsichtlich der Entwicklungen davor und danach: Den Prozess der Zerstörung der ersten deutschen Demokratie gilt es zu verstehen, genauso wie den mühsamen Weg hin zur zweiten Demokratie, der für die Ostdeutschen noch vier Jahrzehnte länger dauerte als für die Westdeutschen. Geschichte in der Schule sollte ein Verständnis dafür entwickeln, dass Demokratie mehr ist als ein politisches System: nämlich eine Lebensform, die jeder und jedem die Möglichkeit zur Mitwirkung bietet – aber diese Mitwirkung auch braucht, wenn sie funktionieren soll.

3 Fragen an: Tobi Kämmerer

Gute Unterhaltung hat für mich die gleichen Bestandteile wie eine gute Unterhaltung: Lustig und ernst, mal leicht mal tief, Quatsch und Wichtiges, Begegnung, Austausch, etwas Inspirierendes, Neugier und am Ende das Gefühl, dass es zumindest ein schöner oder guter Moment war.

Eindeutig: JA! Und ich liebe Austausch. Ich mag Geschichten und ich liebe es, wenn Menschen die Dinge lieben, die sie tun. Und mit etwas Neugier erfährt man immer besondere Geschichten – kleine, große, lustige oder bewegende.

Das klappt, ehrlich gesagt, nicht immer besonders gut. Ich brauche im Leben ein eher hohes Maß an Arbeit, Abwechslung und Trubel. Wenn es zu viel wird, merke ich es häufig leider zu spät. Aber das gehört wohl zu meinen großen Aufgaben im Leben: Die richtige Balance zu finden…

Drei Fragen an: Halima Gutale

Flucht, Migration und Integration sind meine Aufgabenbereiche als Integrationsbeauftragte der Stadt Pfungstadt. Integration ist ein komplexer Prozess, der nur schrittweise vollzogen werden kann. Er erfordert gemeinsame Anstrengungen und die Anpassungsfähigkeit von Flüchtlingen und der Gesellschaften in rechtlicher, wirtschaftlicher, soziokultureller und zivilpolitischer Hinsicht. Die Ankunft in einem fremden Land bedeutet für Geflüchtete, sich in einer neuen Umgebung mit fremden Abläufen und Verhaltensweisen zurechtfi nden und eine neue Sprache zu lernen. Besonders unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und
Frauen fühlen sich oft allein gelassen und überfordert. Sie benötigen besondere Unterstützung.

Das Hauptproblem für Gefl üchtete ist, dass ihr Rechtsstatus unklar ist, dass sie in großen Unterkünften oft isoliert sind und keine Wohnung fi nden. ProAsyl fordert die Aufhebung von Wohnsitzaufl agen, weil das die Integration fördert. Warum soll nicht jemand von Pfungstadt nach Frankfurt ziehen, wenn er dort einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung hat? Das wird oft zu stark reguliert. Als Kommunalbeauftragte, Vereinsvorsitzende und Vorstand von ProAsyl fordere ich, dass diese Wohnsitzaufl age aufgeben wird.

Um sich besser integrieren zu können, müssen Geflüchtete Schutz vor Diskriminierung und Rassismus fi nden. Menschen können nicht überall in Deutschland zugewiesen werden, z.B. nicht dort, wo Stimmungsmache der AfD, Montagsdemos und rechte Hetze stattfinden.

Darüber hinaus sind der Umgang mit den Behörden, die Verwaltungsabläufe und die fremde Sprache hohe Hürden. Viele Geflüchtete haben schlechte Erfahrungen mit Behörden und deren Mitarbeiter:innen gemacht und das Vertrauen verloren. Gerade Migrant:innen leiden besonders stark unter ihnen unbekannten Lebenssituationen, werden häufig als Menschen zweiter Klasse behandelt.
Was mich als Aktivistin und Vereinsvorsitzende von Halima aktiv für Afrika „HAFA“ e.V. beschäftigt, ist wie die Europäische Union einen Unterschied zwischen Flüchtenden macht und wie sie mit Menschen aus dem Globalen Süden umgeht. Das macht mich traurig und hilfl os. Wir (wie auch ProAsyl) begrüßen die große Hilfsbereitschaft, allerdings mussten auch wir auf die Militarisierung der EU-Außengrenzen, illegale Pushbacks und Rassismus an den Außengrenzen hinweisen. Geflüchtete kämpfen täglich ums Überleben und stellen Fragen, die mich manchmal überfordern

Es müssen einige Schlüsselelemente vorhanden sein: Sicherheit bzw. Schutzräume; ein klares Bekenntnis von Solidarität seitens der Politik, Kirchen und Zivilgesellschaft; Sprachkurse, Wohnungen und soziale Unterstützung, Zugang zum Arbeitsmarkt und kulturelle Aktivitäten. Wichtig bleiben Hilfen der hier Lebenden für Neuankömmlinge. Die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt zudem viel besser, wenn die Menschen hier Angehörige, Freunde und Bekannte haben. Das sehen wir am Beispiel der Menschen aus der Ukraine

Wir müssen akzeptieren, dass Diversität eine gesellschaftliche Realität ist, auch Diskriminierung und Rassismus. BIPoC* brauchen geschützte Empowerment- und Refl exionsräume, damit sie sich über ihre Rassismus Erfahrungen, sowie Handlungsstrategien für den Umgang austauschen und stärken können. Das haben bestehende Strukturen bis jetzt nicht hergegeben. HAFA e.V. ist es ein besonders Anliegen, solidarisch mit den von Rassismus betroffenen Menschen und Menschenrechtsakteurinnen zu sein und sich gemeinsam für eine gerechte Gesellschaft einzusetzen.

Ich setze mich für soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung aller Migrant:innen ein, sowohl berufl ich als auch privat. Ich organisiere und unterstütze Bildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen, um das Bewusstsein für Rassismus und Diskriminierung zu schärfen. Dies kann die Teilnahme an Workshops und Schulungen oder die Unterstützung von Bildungsinitiativen umfassen, die darauf abzielen, Vorurteile abzubauen und Empathie zu fördern.

Die Zunahme von Gewalt und Diskriminierung in unserer Gesellschaft erfordert aber eine kollektive Anstrengung, um Veränderungen herbeizuführen. Die sozialen Realitäten dürfen nicht ausgeblendet werden. Wir müssen uns mit Hierarchien und Machtverhältnissen auseinandersetzen und bereit sein, Routinen zu hinterfragen und Räume für BIPoC* zu schaffen. Unsere Gesellschaft muss zusammenwachsen.

Drei Fragen an: Anja Gockel

Meine Inspirationen bekomme ich aus der Vielfalt des Lebens. Meine Themen sind sehr oft spirituell inspiriert oder auch humanistisch bis politisch.
Mein Kollektionsthema ist mein Antreiber.

Wenn ich es gefunden habe, denke und fühle ich es jede Minute. Die Kollektion scheint ab diesem Zeitpunkt wie von selbst zu entstehen.
Das Thema ist der Filter durch den jede kleinste Entscheidung läuft.
Die Stoffe, Schnitte, die Silhouetten, das Showkonzept, Choreografie e und Musik. Es ist wie ein Puzzle – drei Monate vor der Show erscheinen die Teile ungeordnet, im Laufe der Wochen fügen sie sich ganz selbstverständlich zusammen. Ich liebe es mit meinem Team Sessions zu machen, in denen wir die Welt draußen vergessen – so kommen wir am schnellsten zum Ziel - für mich ist Vielfalt gleich Einheit

Meine Vision ist es, bewusst die Welt zum Besseren zu gestalten. Made in Germany ist dafür Grundlage - Nachhaltigkeit ist seit meiner ersten Kollektion das oberste Gebot. Der Impact meiner Brand ist es, der Freiheit des Einzelnen Form zu verleihen. Meine Kollektionen sollen Frauen und Männer inspirieren, ihr Leben zu genießen und ihre Vision zu leben. Um das zu visualisieren sind Fashion-Events von jeher elementarer Bestandteil, um meine Fashion, die Menschen und das Leben zufeiern.

Der Message der jeweiligen Kollektion gebe ich so eine Bühne, um sie in die Welt zu projizieren.
So kann nachhaltig und inspiriert Mode Wege zeigen, aus Krisen in eine bessere Zukunft zu kommen. Krisen sind Chancen - so habe ich auch die Corona-Pandemie überwunden.

„Take the hit as a gift” sagt man im Aikido- wenn etwas vermeintlich unüberwindbar scheint, habe ich geschaut, wie ich diese Energie nutzen kann, daraus etwas anderes, Gutes zu schaffen.

Inklusion ist für mich primärer Bestandteil von Kreativität und meinem Verständnis von Freiheit und Menschlichkeit. In meinem Unternehmen bedeutet Vielfalt gleich Einheit. Jeder von uns spiegelt sich in allen anderen wider und alle anderen spiegeln sich in uns selbst wider.

Im Laufe der Jahre habe ich mich dafür wie folgt engagiert:
Ich bin Gründungspräsidentin vom IWF Germany (international womens forum), das sich für die Gleichstellung der Geschlechter in Führungspositionen einsetzt. 4 Jahre war ich einer der Direktorinnen weltweit. 2014 habe ich deren Weltkongress in Berlin mit 800 Teilnehmern aus 70 Ländern gehostet. Ich veranstalte Charity sales für „Children for a Better world“, spende für das Frauenhaus in Berlin und gehöre zu den Freunden und Förderern der „Special Olympics“, die erstmalig dieses Jahr in Berlin stattfinden. Mit den geistig behinderten Athleten habe ich T-Shirts für deren Online-Verkauf gestaltet und der Organi-
sation einen Stand in unserem Showroom im Adlon finanziert.

Es ist wichtig, aufmerksam beim Kaufen der Kleidung und Mode zu sein. Billige Kleidung kann nicht sozial sein und unterstützt Ausbeutung in ärmeren Staaten, wo teils Kinder die Klamotten nähen.

Drei Fragen an: Dr. Kristin Jahn

Wir Protestanten wollen und brauchen Ökumene – der Kirchentag ist dafür ein wichtiger Ort. Hier diskutieren wir mit unseren Geschwistern aus allen Kirchen, hier leben, beten und feiern wir unseren Glauben gemeinsam. Diese Erfahrungen tragen die Menschen vom Kirchentag mit in ihren Alltag und in ihre Heimatgemeinden – übrigens nicht nur für den interkonfessionellen, sondern auch den interreligiösen Dialog.

„Jetzt ist die Zeit“ ist die Losung für den 38. Kirchentag, den wir im Juni in Nürnberg feiern. Als diese Losung im Herbst 2021 ausgewählt wurde, erschien sie manchen als zu banal. Für irgendetwas ist ja schließlich immer die Zeit. Aber mittlerweile leben wir in einer Zeit vieler gleichzeitiger Krisen. Beim Kirchentag wollen wir – zusammen mit vielen tausend Besuchenden – genau darüber diskutieren und nachdenken. Was ist das für eine Zeit, in der
wir gerade leben? Was gibt uns Halt, was gibt uns Hoffnung in all diesen Veränderungen? Und vor allem: Wie wollen wir diese Zeit gestalten? Dazu laden wir in Nürnberg ein.

Der „Ablasszettel“ ist eine Sammlung von Gebeten. Natürlich ist der Titel etwas provokant gewählt, beim Thema Ablass denken die meisten von uns ja als erstes an die absurden Zustände im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, die den Anstoß zur Reformation gegeben haben. Beten aber heißt für mich: ich lasse etwas bei Gott, lege es ihm in die Hände, so mancher Druck lässt nach mit und im Beten, so habe ich es immer wieder erlebt.

Luther hat seinerzeit nicht nur die Kommerzialisierung der Ablassgewährung kritisiert, sondern die Praxis an sich: Gnade und Versöhnung kann nicht erkauft oder erarbeitet werden, sondern kann ausschließlich von Gott kommen. Darauf vertraue ich und darum bete ich – und beim Beten erleichtere ich meine Seele vor Gott. Also Ablass.

Drei Fragen an: Anita Beckers

Kunst einen besonderen Stellenwert einzuräumen, hat in der Regel immer eine Vorgeschichte. Ich bin in diesen Beruf gewechselt,
weil ich mich in einer Lebenssituation befand, die eine Rückkehr in meinen alten Beruf unmöglich machte. Über die Kunst habe ich Menschen (Künstler:innen) getroffen, die meinem
Leben eine neue Wendung gaben. Daraus ist die Galerie entstanden, die ich nunmehr 30 Jahre betreibe.

Mein Interesse gilt jener Kunst, die sich mit den Fragen der Gegenwart und deren Wahrnehmung sowie der technischen Weiterentwicklung auseinandersetzt. Dekorative Kunst – als
Gestaltungselement von Wohnungen hat diese durchaus ihre Berechtigung – stellt für mich allerdings keinen empirischen Mehrwert dar.
Erkenntnisgewinn in der Kunst entsteht immer rückwärts gelesen. Zeitgenössische Kunst, im ersten Moment oft unverständlich, entwickelt sich auf dem Boden der Kunst- und Menschheitsgeschichte.
Damit verbunden wächst immer wieder der Wunsch nach „Vergewisserung“ und zwar indem Menschen sich Alte Meister unter einem neuen Blickwinkel anschauen. Er oder sie werden animiert, aktiv die Kunstgeschichte zu durchforsten, um evtl. Erklärungsmuster für zeitgenössische Werke zu finden. Unter diesen Aspekten versuche ich mein Galerieprogramm zusammenzustellen.

In der Coronazeit war Kunst für Menschen, die mit ihr bisher schon im aktiven Austausch lebten, eine Inspirationsquelle, die sie sich durch die im Lockdown entstandenen neuen
Onlineangebote zugänglich machen konnten. Museen und Galerien waren relativ lange geschlossen, öffentliche Teilhabe erheblich eingeschränkt. Kunst war während ihrer Entstehung immer zeitgenössisch und sorgte in der jeweiligen Gegenwart immer wieder für Irritationen und Unverständnis.

Die Auswirkungen von Corona auf den Kunstbetrieb lassen sich erst jetzt herausfiltern, auch was die Isolation für die Lebenswirklichkeit von Künstler:innen darstellte.

Den Einstieg in die Kunst ermöglichen Galerien mit ihren vielfältigen Angeboten und nur durch wiederholtes „Sehen“ können wir unser individuelles Wissen erweitern. Es herrscht immer noch eine gewisse „Schwellenangst“ beim Besuch einer Galerie, an deren Aufl ösung wir stets arbeiten; hier beginnt kulturelle Teilhabe für die Bevölkerung, die zudem noch kostenlos ist.

Es ist ein großes Missverständnis, dass Kunst sich nur durch den Einsatz von Geld entfalten und positiv in eine Gesellschaft wirken kann. Künstler:innen nutzen ihren Freiraum als Experimentierfeld für Welt- und Lebensentwürfe, wo alles zur Diskussion gestellt werden kann, ohne einer verifizierbaren Prüfung standhalten zu müssen. Viele Institute und auch Galerien kommen mit den vorhandenen Mitteln ihrem Bildungsauftrag vollumfänglich nach.

Es wird in meinen Augen zu viel über Geld gesprochen und nicht über Ermöglichungen. Die Kunst hat die Kraft, Menschen ideologiefrei zusammenzubringen. Leider hat die Politik immer noch nicht verstanden, das eigentliche Kapital der Kunst zu nutzen. Es gibt wenige Fachleute, die die Benchmark von Kunst beurteilen und sie im Sinne eines Mehrwertes für eine Gesellschaft weiterentwickeln könnten. Dass
in Schulen kreative Fächer oft ausfallen, zeigt, dass in einer auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Gesellschaft es nicht für notwendig erachtet wird, vielfältige und nachhaltige Bildung anzubieten und zu garantieren.

Wenn sich die politische Meinung über Kunst hauptsächlich aus Sensationsmeldungen über Auktionsrekorde speist, wird sich die Situation leider nicht zum Besseren verändern. Persönlich halte ich die Auseinandersetzung mit Künstlerinnen und Künstlern für ein unverzichtbares Lebensmittel, weil diese eben nicht von Geld abhängig ist.

Drei Fragen an: Nicolai Friedrich

Ich liebe es, Menschen dieses Gefühl zu geben und möchte Sie durch meine Vorführungen inspirieren, Dinge für möglich zu halten, die Sie zuvor für unmöglich gehalten haben;
denn eine große Weisheit des Lebens besagt: Ob wir glauben etwas zu können, oder etwas nicht zu können: Wir haben immer recht.
Alle großen Erfindungen der Menschheit waren unmöglich, bis sie jemand gemacht hat.

Der Schlüssel dafür sind unsere wahren Zauberkräfte, nämlich Fantasie und Kreativität.
Leider sind in unserer rationalen Gesellschaft diese Fähigkeiten bei den meisten Erwachsenen stark verkümmert.
Staunen, Fantasie und Kreativität gehören untrennbar zusammen und ich hoffe durch meine Vorführungen diese „Zauberkräfte“ bei dem ein oder anderen wieder erwecken zu können.

Zunächst funktioniert Manipulation als Beeinflussung nur solange diese unbemerkt bleibt. Wenn Politik darauf basiert, lässt sich dies (solange es freie und unabhängige Medien gibt!)
leicht durchschauen und es führt zu Frustration bei Wählern.
Daher glaube ich nicht, dass die Fähigkeit ein guter „Manipulator“ zu sein, jemanden dazu qualifiziert in die Politik zu gehen. Im Gegenteil, um langfristig politisch erfolgreich zu sein, bedarf es
großer Leidenschaft, ehrlichem Engagement und ganz viel Zeit. Falls ich also eines Tages in die Politik gehen sollte, möchte ich mit Substanz und Qualifikation punkten und nicht mit Manipulation
und schönem Schein.

Zunächst sind wir Herr unserer Wahrnehmung, denn die Realität um uns herum ist kein Faktum sondern immer das, was wir über unsere Wahrnehmung daraus machen.
Diese Erkenntnis kann uns gerade in schwierigen Zeiten helfen mit Herausforderungen umzugehen.
Wir sollten gezielt auf positive Dinge schauen und uns bewusst auch an kleinen Dingen erfreuen. Außerdem lassen sich viele Schwierigkeiten und Probleme mit Hilfe von Kreativität und Fantasie
(ich nenne dies „magisches Denken”) besser in den Griff bekommen; manche lösen sich sogar in Luft auf und das ist für mich wahre Magie.

Drei Fragen an: Jan Wörner

Die verschiedenen Positionen, vom Bauingenieur über Präsident der TU Darmstadt, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt, Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtagentur und jetzt Hessischer Raufahrtkoordinator und Präsident von acatec, der Deutschen
Akademie der Technikwissenschaften haben viel Gemeinsames: Es geht um Technik, Innovation, Verantwortung und überregionale Aktivitäten. Ich hatte und habe das Glück die verschiedenen Positionen auszufüllen und jeweils spezielle Ziele anzugehen: Bauingenieur: Neuen Materialien den Weg ebnen und aktiven Umweltschutz im Bauwesen vorantreiben.

TU Präsident: Erste öffentliche autonome Hochschule zur Effizienzsteigerung und Verbesserung von Forschung, Lehre und Service für die Gesellschaft

DLR: Steigerung der Synergien der verschiedenen

DLR Themen: Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr unter dem Motto „Ein DLR“

ESA: Entwicklung von „Space 4.0“, dem Paradigmenwechsel in der Raumfahrt hin zu mehr gesellschaftlich relevanten Themen und Kommerzialisierung der Raumfahrt, Konzept des „Moon-Village“und des Mottos „United Space in Europe“

Raumfahrt fasziniert (fast) jeden. Missionen wie Flüge zu Planeten und Kometen, Blicke tief ins Universum, Beobachtung von Gravitationswellen, Nutzung von Erdbeobachtung zum Verständnis des Klimawandels und vieles mehr wird von vielen Menschen mit Bewunderung und Begeisterung zur Kenntnis genommen.

Wenn aus dieser Faszination Inspiration wird, hat man einen guten Schritt hin zu individueller Motivation „geschafft“, Motivation die für den nachhaltigen Erhalt unserer Erde dringend erforderlich ist.

Zwar halte ich unter den aktuellen technischen Fähigkeiten nichts von einem Flug von Menschen zum Mars, aber um Ihrer Frage nicht auszuweichen, lasse
ich mich auf die Hypothese ein: Der Mars hatte in der Vergangenheit viel bessere Lebensbedingungen als heute, vielleicht ein Warnsignal. Deshalb mein
Satz: Now that we are with humans on Mars, we even better understand the beauty and fragility of our home, the tiny blue dot, our Earth.

Drei Fragen an: Franziska Reichenbacher

Wenn ich als ‚Lottofee‘ antworten soll, dann wäre die Antwort wahrscheinlich ‚bitte einmal den Sechser im Lotto und alles wäre ok‘.
Wobei vielleicht nicht alles ok wäre, aber vieles wäre leichter. Diese Art von Glück, der glückliche Zufall, ist ja wirklich
sehr nützlich und dem Glück sehr förderlich, weil am Geld - bzw. am nicht vorhandenen Geld - einfach
viele Probleme hängen. So ist die Realität. Finanzielle Sicherheit ist für viele Menschen kaum erreichbar
und das ist oftmals sehr belastend, gerade für Familien zum Beispiel. Oder auch ältere Menschen. Deshalb ist es völlig in Ordnung vom Sechser im Lotto zu
träumen und darauf zu hoffen, sich dadurch etwas mehr Lebensglück ins Haus holen zu können.
Und was es mir persönlich bedeutet? In diesen Zeiten weiß man ja gar nicht, was man sich zuerst
wünschen soll: Frieden, Ende der Klimakrise, 9-Euro-Ticket für immer, kein Corona, kein Krebs, kein
Rechtsextremismus, kein Krieg? Der Wunsch nach dem kleinen privaten Glück verblasst vor dem Hintergrund der globalen Probleme. Wobei der Wunsch
nach dem privaten Glück sicher genauso berechtigt ist wie vorher auch, vielleicht ist er sogar noch größer geworden, wo doch der Einzelne bei all dem,
was um uns herum passiert – ohne, daß wir es steuern können – sich manchmal ohnmächtig fühlt.
Glück ist für mich, dass meine Familie und ich gesund sind und für den Rest gibt es eine Lösung. So
ungefähr. Ansonsten halte ich es so: Je weniger ich über Glück nachdenke, desto glücklicher bin ich.
Das ist ein interessanter Effekt, den ich seit einiger Zeit bei mir beobachtet habe.

Das ist eine interessante Frage und ich beobachte selbst, wie ich da meine Sicht verändert habe. Noch mehr als vorher frage ich mich, was ist der Sinn und
der Mehrwert dessen, was ich gerade tue? Mein Motto ist, die Lebenszeit – meine eigene und die der anderen – nicht zu verplempern und so viel wie
möglich dazu beizutragen, die Welt ein bisschen besser, heller, schöner, freundlicher, angenehmer,
menschlicher zu machen. Das kann man im Großen und im Kleinen und das kann jeder und jede, wo er
oder sie steht und geht. Ganz konkret arbeite ich an einigen Sachen als Autorin und auch als Journalistin
und da frage mich immer – macht das Sinn? Wenn es keinen Sinn macht, habe ich gar keine Lust darauf.

ch hoffe stets und glaube auch daran, dass Qualität sich durchsetzt, auch wenn es manchmal länger
dauert, die Wahrheit immer irgendwann ans Licht kommt und dass am Ende - hoffentlich! - doch immer Intelligenz und Weisheit siegen und nicht die
Dummheit und die Destruktion. Das sind so meine Grundsätze, nach denen ich mich selbst versuche zu
verhalten. Und natürlich, ganz wichtig: Die Liebe höret nimmer auf.

Drei Fragen an: Florian Naß

Mein Beruf ist auch meine Leidenschaft. Das Ziel,Sportreporter zu werden, hatte ich schon als Kind.
Sport war für mich immer mit Emotion verbunden, aber auch mit Gemeinschaft, egal ob im Verein,
später im Studium oder jetzt im Beruf. Letztlich hat mir ein persönlicher Brief an die Sportredaktion des
Hessischen Rundfunks die Tür geöffnet. Damals war ich 21 Jahre alt und hatte von Fernsehen keine Ahnung,
vom Sport aber sehr wohl. Mein Weg war in gewisser Weise verrückt , ich habe mir viel selbst beigebracht,
darauf bin ich durchaus auch ein bisschen stolz.

In dem ich es anspreche. Bei der letzten Fußball-EM habe ich die rechtsgerichteten ungarischen Fans in Budapest thematisiert, auch die Verantwortung der UEFA für ein Turnier in Pandemiezeiten oder den
Irrsinn einer solchen Veranstaltung in derart vielen Ländern.
Als mir bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio die verbale Entgleisung eines deutschen Sportdirektors auffiel, habe ich diese sofort aufgegriffen und verurteilt.
Als Kommentator darf und muss ich eine Meinung haben und wenn auffällt, dass der Sport seine Werte verliert – Stichwort Doping – muss das Erwähnung finden.
Das führt immer wieder auch zu Diskussionen mit unseren Zuschauer:innen. Davon lebt unsere Gesellschaft.

Sport ist ganz sicher nicht männlich, aber er war es. Allein die Geschichte des Frauenfußballs belegt dies:
vor Jahrzehnten noch verboten und auch in der Folgezeit erfuhr es kaum Förderung. Das hat sich geändert, so wie auch die Fanstruktur in den Stadien.
Die Männerdominanz hat sich zum Glück dort abgeschwächt.
Was fehlt sind noch mehr Frauen in Führungspositionen, in Verbänden oder auch in Vereinen. Aber auch das wird kommen, so wie bei uns in den Medien.
Generell aber können wir uns viel stärker an Skandinavien orientieren, dort wird weniger zwischen Männer- und Frauensport unterschieden: das taugt als Vorbild.
Der Fußball ist die Sportart, die medial stark berücksichtigt wird, aber sie stößt auch auf das größte Interesse. Das Vorurteil, es werde „nur Fußball gezeigt“
ist allerdings falsch und widerlegbar. Die Wintersport-Übertragungen in ARD und ZDF sind da ein gutes Beispiel, es gibt Nischen-Sportarten wie Darts,
die in den privaten Sendern große Zuschauer-Erfolge verbuchen. Heutzutage wird jedes Handball-Spiel der Bundesliga live übertragen, vor Jahren noch
undenkbar. Es liegt auch an der Kreativität der Verbände sich selbst zu präsentieren und Interesse zu wecken.
Übrigens habe ich – um das Thema Rhönradturnen aufzugreifen – für die Hessenschau die Deutsche
Meisterin Lilia Lessel aus Darmstadt portraitiert und war fasziniert vom Sport und der Sportlerin.

Drei Fragen an: Regina Daum-Meemann & Larissa Mierzwa

Unser Motto „Vielfalt Leben“ verweist auf unseren Auftrag: Wir kümmern uns darum, dass Menschen mit Behinderung am sozialen Leben teilhaben. Die documenta fifteen mit ihrem
Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und Inklusion bietet uns die Chance zu zeigen, wie dieser Beitrag aussehen kann. Für uns als Mitarbeiter:innen, aber auch für die Beschäftigten und Teilnehmer:innen an den Qualifizierungsmaßnahmen, ist es spannend, mit dabei zu sein.
So haben wir mit angepackt, als die documenta fifteen und das Forstamt Hessen dazu aufriefen, Bäume im Reinhardswald zu pflanzen.
Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten gemeinsam an der Aufforstung des Waldes:
Eine tolle Erfahrung! Mut machendes Beispiel ist auch die von uns entworfene Jeanstasche,
die Beschäftigte in unserer Schneiderei nähen. Das Produkt ist nachhaltig, regional und sozial;
damit haben wir die documenta-Macher überzeugt. Sie wird in den documenta fifteen Shops verkauft.

Auf jeden Fall. Uns gemeinsam ist, dass wir die Menschen erreichen möchten, ein gesellschaftliches Anliegen treibt uns an. Natürlich stoßen wir
auch an Grenzen, was beispielsweise die speziellen Bedarfe unserer Klient:innen betrifft.
Die Kunstwelt ist ein sehr innovatives und kreatives System.
Es gibt eine große Offenheit für unsere Anliegen, bei der Organisation und auch bei Künstler:innen,
mit denen wir zusammenarbeiten. Das fordert und fördert uns als diakonische Einrichtung in unserem Denken und Handeln.

Kunst kann Türen öffnen. Wir erleben dies bei den Kreativ-Angeboten in unseren Einrichtungen
ebenso wie in der Begegnung mit der internationalen Kunstwelt. Schon bei der vorigen documenta beteiligten sich Beschäftigte der bdks an
einem zentralen Kunstwerk, dem Parthenon der verbotenen Bücher der argentinischen Künstlerin Marta Minujín auf dem
Friedrichsplatz. Jede:r, der dazu beigetragen hat, eines der Bücher in Folie zu schweißen, war somit Teil des Kunstwerks.
Durch Kunst erhalten Ideen eine Gestalt. Für die Menschen bedeutet dies: Ausnahmslos jede und jeder kann
einen Beitrag zur Gesellschaft leisten, und sei er noch so klein.

3 Fragen an: Beate Kemfert

Zwei Triebfedern gleichermaßen: die Liebe zum Menschen und die Begeisterung für Kunst.
Das mag poetisch klingen, doch bin ich fest überzeugt, beides verzahnen zu können. Jüngst rief mich eine Museumspädagogin nach ihrem Ausstellungsbesuch begeistert an:
„Du hast ja in der Anordnung der Exponate die Vermittlung gleich mitgedacht, das kenne ich von anderen Häusern nicht.“
Ihr Lob hat mich sehr gefreut, da ich in der Tat bei meinen Ausstellungskonzeptionen Kinder ebenso mitdenke wie Menschen,
die noch kein Museum betreten haben. Mir ist es außerordentlich wichtig, einen Ort zu schaffen, der allen –
egal welchen Alters oder welcher Herkunft –offensteht.

Seit März 2020 befinden wir uns in einer Notsituation. Die Stiftung Opelvillen ist keine Kapitalstiftung, sondern muss neben den Zuschüssen der Stifterin, der Stadt Rüsselsheim, weitere
Drittmittel akquirieren. Durch die nicht enden wollende Pandemie geraten wir zunehmend
in finanzielle Schieflage, da uns Einnahmen durch Eintrittsgelder fehlen. Dennoch habe
ich mich aktiv dafür eingesetzt, dass wir trotz Lockdowns im letzten Winter für Einzelgruppen von Kindergärten,
Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen öffnen durften. Es war ein Kampf, unsere Rolle als Bildungseinrichtung
deutlich zu machen, da die Politik Museen und Ausstellungshäuser unter Freizeiteinrichtungen
eingereiht hatte. Jeden Tag beweisen wir aufs Neue, dass die Opelvillen ein wichtiger außerschulischer Lernort sind.
Seit der Coronakrise engagiere ich mich hierfür und für Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts noch stärker.

Die evangelische Kirche wie auch die Kunst- und Kulturbetriebe sind Institutionen, die Werte offen leben, immer wieder hinterfragen und
gegebenenfalls auch überarbeiten müssen. Neu aufkommende Formen von Nationalismus, Rassismus oder Xenophobie sind
Themen, die an Dringlichkeit gewinnen. Es ist an uns, Hierarchien aufzulösen und die Geschichte der Religion und Kunst neu
und komplexer zu erzählen.