
Ingelheim/Oppenheim.
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) befindet sich in einem gigantischen Transformationsprozess. Ziel des Projekts „ekhn2030“ ist es, notwendige Einsparungen umzusetzen, stärker zusammenzuarbeiten und trotz des Rückgangs an Finanzmitteln und Personal in der Fläche präsent zu bleiben.
Das Dekanat Ingelheim-Oppenheim mit seinen 41 Gemeinden und 44.000 Mitgliedern hat die ersten Reformschritte hinter sich. 2024 wurden fünf Nachbarschaftsräume gebildet, und zum 1. Januar 2025 hat in jeder dieser Regionen ein Verkündigungsteam aus Pfarrpersonen, Kirchenmusikerinnen und -musikern sowie Gemeindepädagoginnen und -pädagogen die Arbeit aufgenommen.
„Drei Nachbarschaftsräume haben sich bereits als Gesamtkirchengemeinden konstituiert und sich entsprechend benannt”, berichtet Dekan Olliver Zobel. Neben Ingelheim seien dies die Region rund um Bingen, die nun „Nahe an Rhein und Wißberg” heiße, sowie die Region um Nierstein, die sich den Namen „Rheintal-Höhen” gegeben habe. Die Gesamtkirchenvorstände mit ihren jeweils zwölf bis 15 Mitgliedern würden ihre Arbeit zum 1. Januar kommenden Jahres aufnehmen, kündigt der 57-jährige Theologe an. Schon jetzt sei absehbar, dass es kein großes Gerangel um die Mandate geben werde, da viele ältere Kirchenvorstände ihre Ehrenämter aufgeben wollten.
Bis 2026 muss geklärt sein, welche Gebäude womöglich umgenutzt oder aufgegeben werden, wo die gemeinsamen Büros entstehen und wie viele Menschen zu welchen Konditionen dort arbeiten. Die Verwaltungsunterstützung sei ein wichtiger Punkt für den Erfolg des gesamten Prozesses, betont Zobel. Der Dekan appellierte an die neuen Verkündigungsteams, effektiv und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und Aufgaben abzugeben. „Wenn jeder alles machen und diskutieren will, scheitert der gesamte Prozess. Dann werden wir uns als Kirche auch nicht im Sozialraum engagieren können.” Der Prozess berge Chancen, fordere aber auch sehr. Er glaube fest daran, dass die Kirche mit den neuen Strukturen – auch bei den Kitas – in der Fläche bleiben könne und eine Zukunft haben werde.
Es gebe Teams wie in Nierstein, die bereits sehr gut funktionierten, ergänzt Zobel. Andere wie etwa das Ingelheimer Team litten darunter, dass drei Pfarrpersonen in den Ruhestand gingen und eine in Elternzeit sei. Der Theologe in Elternzeit heißt Christian Brost. Er ist jeweils mit einem halben Dienstauftrag Pfarrer in Heidesheim und für Gesellschaftliche Verantwortung des Dekanats. Der 39-Jährige begrüßt den Reformprozess und sieht auch die Zusammenarbeit im Team positiv. „Das wertet die anderen Berufsgruppen auf und führt zu einem gleichberechtigten Miteinander”. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Teammitglieder gut zusammenpassten.
Simon Ahäuser, Pfarrer in Oppenheim und Dienheim, berichtet von Sorgen und Ängsten vor allem in den kleineren Gemeinden. Diese hätten lange „im Luxus gelebt” und fürchteten sich nun davor, Personal und Gebäude zu verlieren. Deshalb seien Gemeindeversammlungen wichtig. „Wenn wir die Kirchenmitglieder einbeziehen, haben sie auch Verständnis für den Transformationsprozess.”
Um die kirchlichen Etats weiter zu entlasten, rät Ahäuser, „möglichst viel Verwaltungsarbeit aus den kleineren Orten herauszubekommen” und auch mit den katholischen Gemeinden zusammenzuarbeiten. „Denn die haben dieselben Probleme wie wir. Warum sollten wir uns nicht Gemeinderäume und Büros teilen?”
Mit Optimismus und Tatkraft gehen auch die nicht-theologischen Mitglieder der Teams den Transformationsprozess an. Dazu gebe es aufgrund des Rückgangs an Mitgliedern und Personal keine Alternative, ist Gemeindepädagogin Margarete Ruppert überzeugt. Ziel sei es, „nahe bei den Menschen zu bleiben” und sich den Herausforderungen mit guter Arbeit zu stellen. Sich von den Veränderungen „fertig machen zu lassen” sei kontraproduktiv. Denn der Prozess gehe auch nach 2030 weiter, ist sie sicher.
Sie fühle sich sehr wohl im Verkündigungsteam des Nachbarschaftsraums Ingelheim, sagt die 40 Jahre alte gebürtige Thüringerin. Sie ist zuständig für die Konfi- und Jugendarbeit und mit halber Stelle auch als Religionslehrerin tätig. „Die Pfarrpersonen und der Kirchenmusiker Carsten Lenz haben mich offen und herzlich aufgenommen. Wir arbeiten auf Augenhöhe miteinander.” So sei das Team zum Beispiel gerade dabei, eine Konfi-Fahrrad-Rallye mit 60 Teilnehmenden zu planen.
Dass er jetzt mit Pfarrerinnen und Pfarrern sowie einer Gemeindepädagogin im Team tätig sei, sei für ihn nichts Neues, sagt der Kantor und Organist an der Oppenheimer Katharinenkirche, Ralf Bibiella. „Kirchenmusik war schon immer eine verkündigende Form.” Der 61-Jährige, der zusätzlich Propsteikantor für Rheinhessen und Nassauer Land ist, weist auf die sehr guten Arbeitsbedingungen an der Katharinenkirche und die „hervorragende Ausstattung mit Proberäumen” hin. Außerdem hebt er die intensive kirchenmusikalische Zusammenarbeit mit dem Nachbarschaftsraum Nierstein und der Verbandsgemeinde Rhein-Selz hervor. Man müsse nur aufpassen, dass sich die kleineren Gemeinden nicht an den Rand gedrängt fühlten, sagt Bibiella.