Es reicht!

Für eine andere Russlandpolitik

Lernen, umdenken – im Geiste Niemöllers

Als junger Vikar nahm ich 1981 an der ersten Demonstration in Bonn gegen den NATO-Doppelbeschluss teil. Ich bin überzeugt, dass es damals richtig war, zu protestieren. Seitdem ist Martin Niemöller, eine Vaterfigur der Friedensbewegung, für mich ein Vorbild – weil er bis ins hohe Alter bereit war zu lernen und umzudenken.

Mit seiner Arbeit für Frieden und Versöhnung setzte er Maßstäbe. Unbeirrt von der ideologisch-politischen Konfrontation öffnete er 1952 durch seine mutige Moskaureise Türen zur Sowjetunion – und wurde dadurch zu einem Wegbereiter der Ostpolitik Willy Brandts.

Doch mit Blick auf das heutige Russland sehe ich mich herausgefordert, eine neue Realität anzuerkennen – und über Niemöller hinaus zu denken.


Die bittere Wende: Vom Glauben an Annäherung zur Enttäuschung

Die russische Annexion der Krim war ein Bruch des Völkerrechts – und hätte mich wachrütteln müssen. Doch wie viele andere in der Ära Merkel vertraute ich auf die Minsker Abkommen und die Hoffnung auf eine friedliche Lösung.

Als Putin 2022 Donezk und Luhansk zu „Volksrepubliken“ erklärte und kurz darauf den Angriff auf die Ukraine befahl, war klar: Die Zeit der Annäherung war vorbei.

Für viele Deutsche war das ein schmerzhafter Erkenntnisprozess – besonders für jene, die Russlands Kultur, Geschichte und „Seele“ bewunderten und auf Versöhnung hofften. Doch wir müssen uns von überholten Vorstellungen lösen.


Putins Russland: Militarisiert, imperialistisch, gefährlich

Seit über 20 Jahren regiert Putin. Unter seiner Führung verwandelt sich Russland in ein auf Krieg ausgerichtetes Land. Die Kriegsziele: ein großrussisches Imperium, legitimiert durch antiwestliche Propaganda und das Schlagwort „Kampf gegen den Faschismus“.

Diese Ideologie rechtfertigt:

  • die Annexion fremder Territorien,
  • die Militarisierung der russischen Gesellschaft,
  • die gezielte Zerstörung ziviler Infrastruktur in der Ukraine.

Europäische Nachbarstaaten reagieren alarmiert – nur in Deutschland zögern viele weiterhin, klare sicherheitspolitische Konsequenzen zu ziehen. Lieber festhalten am Alten. Lieber Konfrontationen vermeiden.


SPD-Friedensmanifest: Realitätsfern und rückwärtsgewandt

Das jüngste „Manifest“ der SPD-Friedenskreise ist ein Beispiel für diese Verweigerung der Realität. Die FAZ schrieb am 13.6.2025 treffend:

„Das Papier wärmt all die Evergreens der 80er-Jahre-Friedensbewegung auf.“

Die Parallelen zu früher sind offenkundig – aber die historischen Rahmenbedingungen haben sich grundlegend verändert.


Warum der Vergleich mit den 1980er-Jahren hinkt

Damals:

  • ging es um den Protest gegen US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden.
  • herrschte Kalter Krieg – mit Abschreckung, aber ohne aktiven Krieg durch die Sowjetunion in Europa.
  • kam es wenig später zur Auflösung der Sowjetunion.

Heute:

  • agiert Russland aktiv imperialistisch,
  • destabilisiert Demokratien gezielt – auch in Washington,
  • führt einen Angriffskrieg gegen ein souveränes europäisches Land.

Diese Unterschiede blenden die Autoren des Manifests aus.


Verhandlungen mit wem, warum, wie?

Das Manifest fordert:

„nach dem Schweigen der Waffen wieder ins Gespräch mit Russland zu kommen“.

Aber:

  • Wer soll da mit wem sprechen?
  • Was ist das Interesse des Kremls an Dialog mit Deutschland?
  • Welche realistischen Ansätze gibt es für eine „schrittweise Rückkehr zur Zusammenarbeit“?

Bisherige Verhandlungen zeigen: Putin ist nicht kompromissbereit. Er verlangt bedingungslose Erfüllung seiner Forderungen – Gebietsverzicht, Entmachtung der Ukraine. Auch Donald Trumps Versprechen eines „schnellen Friedens“ blieben leer.


Friedensrhetorik mit Applaus von der falschen Seite

Wer heute für Annäherung an Russland plädiert, verkennt die Realität. Das SPD-Manifest bringt Applaus von AfD, BSW und Teilen der Linkspartei – allesamt Kräfte, die Putins Politik nahe stehen oder sie verharmlosen.

Ob das bewusst in Kauf genommen wird, um enttäuschte Wähler zurückzugewinnen? Möglich – aber gefährlich.


Zeitenwende heißt: Klarheit, Abschreckung, Stärke

Die SPD-Führung bemüht sich, die 2022 von Kanzler Scholz ausgerufene Zeitenwende in der Außenpolitik umzusetzen – jetzt auch in Koalition mit der CDU/CSU. Doch das gelingt nur, wenn sich auch die Köpfe wenden:

  • Weg von der Appeasement-Politik
  • Hin zu überzeugender Abschreckung
  • Dialog ja – aber nur aus einer Position der Stärke

Denn: Nur wer glaubwürdig für Frieden, Gerechtigkeit und Wehrhaftigkeit eintritt, kann Vertrauen gewinnen – in der Ukraine, in Europa, im eigenen Land.