
Marburg, Kassel.
Die Bildung von Kooperationsräumen ist auch ein zentraler Bestandteil des Reformprozesses in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Laut Kirchengesetz vom 23. November 2016 handelt es sich dabei um rechtlich unselbstständige Zusammenschlüsse mehrerer Kirchengemeinden in einem Kirchenkreis „mit Pfarrstellen im Umfang von mindestens drei vollen Dienstaufträgen”. Ein Kooperationsausschuss, der sich aus Kirchenvorständen und dem Pfarrpersonal zusammensetzt, begleitet und fördert die Zusammenarbeit.
Im Kirchenkreis Marburg wurden die Kooperationsräume im Jahr 2023 neu zugeschnitten. Es entstanden mit Marburg-Nord, Lahn-Ost und FLOW drei Räume der Zusammenarbeit von Marburger Stadtgemeinden und Landgemeinden, wie Dekan Burkhard von Dörnberg berichtet. So kooperieren etwa in Marburg-Nord die Gemeinden der Marburger Elisabethkirche, der Universitätskirche und der Markuskirche mit den Gemeinden in Wehrda, Michelbach, Wehrshausen, Elnhausen-Dagobertshausen und Weitershausen-Dilschhausen.
Zu FLOW (Fronhausen, Lohra und Weimar) gehören die Lutherische Pfarrkirche und Matthäuskirche Marburg, und den Kooperationsraum Lahn-Ost bilden die Gemeinden im Ebsdorfergrund, Marburg-Moischt, Marburg-Cappel, Winnen und Nordeck sowie die Lukas- und Paulusgemeinde und die Gemeinde am Richtsberg in Marburg.
Pflichtbestandteile der Vereinbarungen seien die gegenseitige Vertretung der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie die Planung und Gestaltung von gemeinsamen Gottesdiensten, betont von Dörnberg. Je nach Engagement und Finanzierbarkeit könnten weitere Gemeinschaftsprojekte etwa in den Bereichen Konfirmanden-, Jugend- oder Seniorenarbeit dazukommen. Zur Entlastung der Theologinnen und Theologen und der anderen Hauptamtlichen seien den Kooperationsräumen Verwaltungsassistenzen zugeordnet, berichtet der 51-jährige Theologe. Außerdem verfüge der Kooperationsraum Marburg-Nord über eine von insgesamt neun Stellen „Diakon:in in der Region”, die die Landeskirche 2021 geschaffen hatte.
Insgesamt stehen nach von Dörnbergs Angaben in den drei Kooperationsräumen des Kirchenkreises 25 Pfarrstellen zur Verfügung. Wegen der demografischen Entwicklung und Austritten falle künftig jährlich eine halbe Stelle weg. Zentral sei allerdings, dass jede Gemeinde auf eine halbe Stelle Anspruch habe und so die „Grundversorgung“ gewährleistet sei. „Jedes Gemeindeglied muss wissen: das ist meine Pfarrperson, die ist zuständig für die Geschäftsführung, für Taufen, Trauungen und Beerdigungen.”
Mit der Bildung von Kooperationsräumen werden nach Überzeugung des Marburger Dekans nicht nur die vorhandenen Ressourcen möglichst sinnvoll eingesetzt. Auch der Austausch zwischen den Pfarrpersonen und den anderen Haupt- und Ehrenamtlichen werde verbessert und das Verständnis füreinander gefördert. „Wir müssen wegkommen von der Vorstellung, dass eine Pfarrperson alles machen muss.”
Das System „Kooperationsräume“ werde künftig ergänzt von kleineren regionalen Einheiten, sogenannten Nachbarschaften, fügt von Dörnberg hinzu. Zudem werde auch vermehrt über Gemeindefusionen nachgedacht, etwa in der Lukas- und Paulusgemeinde in Marburg sowie in den Gemeinden des Ebsdorfergrunds.
Heike Preising, die Pfarrerin von Wittelsberg-Moischt im Kooperationsraum Lahn-Ost, sieht die Chancen der Zusammenarbeit von Stadt- und Landgemeinden im Kirchenkreis Marburg. Der besondere Zuschnitt der Kooperationsräume trage dazu bei, „dass das Verständnis füreinander wächst und übergreifende Zusammenarbeit erprobt wird”.
Die Bildung von Kooperationsräumen hat nach Preisings Beobachtung sowohl die vorhandene Zusammenarbeit gestärkt als auch neue Kooperationen initiiert. „Zusammenarbeit bedeutet aber nicht automatisch Ressourceneinsparung – Abstimmungsprozesse und innovative gemeinsame Projekte brauchen eher zusätzliche Zeit und Energie. Deshalb besteht auch eine Herausforderung in der Kopplung der Arbeit in den Kooperationsräumen mit den Themen der Einsparung von Personal und Gebäuden.”
Innerhalb von Lahn-Ost arbeiteten die Gemeinden noch in kleineren, gewachsenen Einheiten zusammen, etwa im Ebsdorfergrund, erläutert die 53-jährige Theologin. Die Gemeinden kooperierten etwa bei der Gottesdienstreihe „Sommerkirche” und der Konfirmanden- und Jugendarbeit, unterstützt von einem Referenten der Evangelischen Jugend Marburg mit einer viertel Stelle.
Der Kooperationsraum verfügt nach Angaben von Preising über 7,5 Pfarrstellen. Die Theologinnen und Theologen, die Verwaltungsassistenz und der Jugendreferent treffen sich sechs- bis achtmal im Jahr zu Dienstbesprechungen. Außerdem kommt zweimal im Jahr der Kooperationsausschuss zusammen, in dem die Kirchenvorstände und damit auch das Ehrenamt eingebunden sind.
„Ich arbeite gern mit anderen zusammen“, sagt Preising. Die Strukturen, in denen man arbeitet, im laufenden Prozess neu zu gestalten, sei aber auch eine „große Anstrengung“.