Wie Faschismus funktioniert

Wahlen sind (nicht nur in Deutschland) herausfordernd!

Welche Rolle spielen Parteiprogramm, Historie der Partei, Personen, Wahlkampfauftritte, Reden und Verhalten, Tiktok, Worte und Wahrheitsgehalt, Menschenbild und Würde, Gerechtigkeit und Demokratie und vieles mehr?

Vor sechs Jahren veröffentlichte Jason Stanley, Professor für Philosophie an der Universität Yale, das Buch mit dem Titel Wie Faschismus funktioniert, das leider erst jetzt übersetzt in den Buchhandel kam. Der Autor, der zahlreiche Auszeichnungen für seine Veröffentlichungen erhalten hat, ist auch deutscher Staatsbürger und schreibt u. a. für die New York Times und die Washington Post. Angesichts unserer Zeit, die so schrecklich an vergangene dunkle Zeiten erinnert, ist es nützlich, sich zu vergegenwärtigen, wie Faschismus funktioniert.

Beim Lesen seines Buches wird deutlich, wie Adolf Hitler mit Aussagen in seinem Buch „Mein Kampf“ noch immer, erneut und sehr eindeutig das Denken rechts der Mitte – aber nicht nur dort – beherrscht und prägt. Moderner Faschismus sei vor allem, so Stanley, ein Führerkult, der einer gedemütigten Nation die Wiedergeburt verspricht.

Gedemütigt, weil Einwanderer, Linke, Liberale, Minderheiten, Homosexuelle und Frauen, die Medien, die Schulen, die kulturellen Einrichtungen übernommen hätten. Faschistische Regime beginnen als soziale oder politische Bewegungen und Parteien und sie werden eher gewählt, als dass sie sich an die Macht putschen. Sie nutzen zunächst alle demokratischen Möglichkeiten, um Macht zu bekommen und dann den Staat Stück für Stück zu zerstören und nach ihren Vorstellungen (s.o.) zu formen.

Wer sich klar machen möchte, wie das alles funktioniert, kann sich an der Zusammenfassung der Thesen Stanleys orientieren, die DER SPIEGEL 34 am 17.8.2024 veröffentlichte:

  1. Jede Nation hat ihre Mythen, ihre Verklärung einer schönen Vergangenheit.
    Die faschistische Version eines nationalen Mythos aber braucht Größe und Macht.

  2. Faschistische Propaganda stellt den politischen Gegner als Bedrohung für die eigene Existenz und eigene Tradition dar.
    „Sie“ gegen „uns“. Wenn „sie“ das Sagen haben, bedeutet dies das Ende der Nation.

  3. Der Führer legt fest, was wahr und was falsch ist.
    Wissenschaft und Wirklichkeit fordern seine Autorität heraus. Komplexe Perspektiven sind eine Bedrohung.

  4. Der Faschismus lügt.
    Die Wahrheit ist das Zentrum der Demokratie. Die Lüge ist der Feind der Wahrheit. Wer belogen wird, kann nicht frei wählen. Wer der Demokratie das Herz herausreißen will, muss die Menschen an die Lügen gewöhnen.

  5. Faschismus baut auf Hierarchien, und das sind die größten Lügen.
    Rassismus ist eine Lüge. Keine Gruppe ist besser als die andere. Keine Religion, keine Ethnie, kein Geschlecht.

  6. Faschismus erklärt seine Anhänger zu Opfern der Gleichheit.
    Christen sind Opfer der Juden. Weiße Amerikaner Opfer der Gleichberechtigung der schwarzen Amerikaner. Männer Opfer des Feminismus.

  7. Der Faschismus sorgt für Recht und Ordnung.
    Was Recht und Ordnung ist, bestimmt der Führer. Er bestimmt, wer dagegen verstößt.

  8. Der Faschismus hat Angst vor Sexualität.
    Faschisten schüren Ängste vor Trans-Menschen, vor Homosexuellen, die nicht nur ihr eigenes Leben führen, sondern das Leben der „Normalen“ zerstören wollen und es auf ihre Kinder abgesehen haben.

  9. Der Faschismus hasst Städte.
    Es sind Orte der Dekadenz, der Eliten, der Einwanderer, der Kriminalität.

  10. Der Faschismus glaubt, dass Arbeit frei macht.
    Minderheiten und Linke sind von Natur aus faul.