Ist die Evangelische Kirche frauenfeindlich?
Eine Landeskirche nach der anderen streicht die Mittel für die Frauenwerke, -verbände und -organisationen oder kürzt die Frauenpfarrstellen weg. Auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Leitungspersonen exkulpieren sich und bedauern die Kürzungsentscheidungen, obwohl sie selbst mit Synodenvorlagen genau diesen Abbau vorgeschlagen haben.
Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat bereits 2021 die Ausgaben für ihr Zentrum Frauen und Männer um 75 Prozent gekürzt und damit auch der Frauenarbeit wichtige Mittel entzogen. Dabei hatte sie bei ihrer Entscheidung betont, dass es nur um den Abbau von angeblichen Doppelstrukturen gehe und Frauenarbeit in den Landeskirchen und den Gemeinden wichtig bleibe. Nicht selten werden die Frauenorganisationen dennoch überproportional gekürzt.
Diese Entwicklung ist ein fataler Schritt. Selten ist eine Rückkehr zum traditionellen Frauenbild so deutlich zu beobachten wie heute. Tradwives (dt.: traditionelle Frauen) boomen auf Instagram und Co. und begründen nicht selten ihre Familienrolle mit dem biblischen Unterordnungsauftrag. Häusliche Gewalt ist durch die Lockdowns der Pandemie deutlich angestiegen.
Die Verbote von gendergerechter Sprache in Hessen und Bayern sind Beispiele für die Verdrängung von Frauen in Sprache und Öffentlichkeit. Für manche seit langem engagierte Frau ist völlig unverständlich, dass nach der Bibel in gerechter Sprache, den feministischen Aufbrüchen in Theologie und neuen Liturgien jetzt nur noch männliche Gottesbezeichnungen verwendet werden.
Die weniger werdenden Finanzmittel in den Haushalten sind Brandbeschleuniger; die mit der AfD salonfähig gewordenen Diskreditierungen von feministischer Außenpolitik oder gendergerechter Sprache wirken als Katalysatoren eines fatalen Abbauprozesses bisheriger Errungenschaften. Das alles zeigt, dass gerade jetzt Frauenarbeit wichtig ist, um Frauen in aller Vielfalt sichtbar zu machen, sie zu stärken und einer Retraditionalisierung entgegenzuwirken.
Als leitende Pfarrerin eines dieser Verbände betone ich, dass wir dennoch all unsere Kraft nutzen, um in Wissenschaft, kirchlichen Strukturen und Gesellschaft Frauenthemen in der Öffentlichkeit zu halten und den gendersensiblen Umbau verkrusteter Strukturen voranzutreiben. Wir werden uns weiterhin und trotz der jetzt sehr begrenzten Mittel für Frauen engagieren und die feministischen Errungenschaften verteidigen. Es ist nicht hinnehmbar, so mit unserer Arbeit umzugehen, zumal diese in den vergangenen Jahren bereits zukunftstauglich gemacht wurde.
Die Kirchen setzen bei geringeren Steuereinnahmen wie selbstverständlich auf die Arbeit der Ehrenamtlichen, deren Großteil Frauen sind. Viele von ihnen kommen aus der Verbandsarbeit und schätzen die strukturelle Unterstützung. Die Frauenorganisationen leisten viel. Sie haben durch die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen die Kompetenz, um aktuelle Fragen so aufzuarbeiten, dass sie an der Basis diskutiert werden können.
Sie sind als übergemeindliche Unterstützungsorganisationen besonders wichtig, weil Ehrenamtliche in den vielen Umstrukturierungsmaßnahmen mit ihren theologischen und ethischen Fragen auf der Strecke bleiben. Unser Verband zeichnet bereits aktiv Personen für feministische Arbeiten mit Preisen aus, die hier theologisch weiterdenken. Aber das scheint nicht viel zu bewirken, so beklagten beim letzten Pfarrerinnentag der EKHN die Personen auf dem Podium, dass weiterhin die Theologie verstorbener Männer die Inhalte des Studiums und vor allem der Examina bestimmen. „Personen, die hier feministisch oder queer theologisch forschen, wandern in die USA aus!“, bedauerten sie diese Entwicklung.
Der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau, in dem neben dem Pfarrerinnentag auch der Verein zur Förderung Feministischer Theologie in Forschung und Lehre Mitglied ist, unterstreicht deshalb auch fast 40 Jahre nach der Einrichtung des Vereins einen feministischen Genderstudy-Lehrstuhl, um hier ein Umdenken zu forcieren und Theologie in Deutschland zeitgemäß zu machen.
Wir werden weiter für die Unterstützung der Ehrenamtlichen, für Gleichberechtigung in kirchlichen und gesellschaftlichen Strukturen, für die neuen feministisch-theologischen Inhalte in den Prüfungsordnungen und für die Beachtung des Genderbudgeting kämpfen!