Freie Trauung – was geht?

Eine Trauung dieser Art war für mich eine Premiere! Ich war gespannt, was im besonderen Ambiente eines renovierten Industriegebäudes anders sein würde und was womöglich besser oder moderner und für das Brautpaar Grund genug war, die Trauung in einer Kirche nicht gewählt zu haben.

Der Saal hatte Atmosphäre, Sitzreihen, eine Theke und Tische fürs Buffet. Ein Raum für Trauung und Feier ersparte Wege und band Feierliches mit Festlichem zusammen. Mein fester Vorsatz, unvoreingenommen dabei zu sein, verwandelte sich allerdings zusehends in die Haltung eines verdeckten Ermittlers.

Und das kam so: Wir wurden mit der Ansage begrüßt, dass „wir heute keinen Stock im Arsch“ haben und wir alle hier bei dieser Trauung „Spaß haben“ sollen. Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich jemals bei Trauungen als Pfarrer rückwärtige Beschwerden bei mir festgestellt hatte, empfand aber diese Eingangsbemerkung schon als Schwäche.

Wer die Konkurrenz gleich zu Beginn schlecht macht, gibt damit preis, dass es um ein gefestigtes professionelles Selbstbewusstsein eher schlecht bestellt zu sein scheint. Immerhin trug die Dame (habe ich schon erwähnt, dass es sich um eine Traurednerin handelte?) keinen Talar, was das Ganze natürlich viel mehr in Richtung „Spaß haben“ lenkte, zumal Piercings und Tattoos eine besondere Coolness signalisierten.

Dass es sich um eine Trau-Rednerin handelte, hat sie wahrlich mit einer Leistung von einer Stunde und fünfzehn voll eingelöst. Es steckt eine Menge Vorarbeit in einer freien Trauung, das muss in der Dauer der Veranstaltung für alle spürbar werden! Der umfangreiche Leistungskatalog bietet dementsprechend zwei persönliche Vorgespräche, während der gesamten Vorbereitungszeit die Ansprechbarkeit über Telefon, Whatsapp und Mail, die Erstellung der individuellen Trauung, die Moderation/Durchführung, die Erstellung eines Rituals für die Trauung (inklusive der Materialien) – perfekt abgestimmt –, die Absprache mit den Beteiligten wie Trauzeugen, Familie, Musiker, DJ usw., und wenn benötigt: Mikrofon für Gastbeiträge und PA-Anlage.

Wie herausfordernd es wirklich ist, mit einem Mikrofon angemessen umzugehen, zeigte sich in der unentschlossenen Ansprachehaltung. Das Brautpaar saß auf der Bühne links. Die Traurednerin stand rechts und das Publikum dadurch halb hinter ihr, wenn sie das Brautpaar nicht aus den Augen verlieren wollte. Die einzelnen Redeabschnitte wurden durch stetige gute Wünsche gerahmt.

Irgendwann habe ich aufgehört, die Anzahl der Wünsche mitzuzählen. Und an Ritualen gab es gleich drei: Ein Häuschen wollte vom Brautpaar gebaut werden, natürlich vorher mit darauf eingetragenen Wünschen aus dem Publikum. Ein ganz speziell vorbereitetes Ritual mit Händen war so wenig eindrücklich, dass ich es schlicht vergessen habe.

Nicht zu vergessen: Die Urkunde für die vollzogene Trauung. Was genau vollzogen wurde, blieb im Verborgenen. Das Ja-Wort? Das Versprechen? Ein Gelübde? Dafür gab es eine ausführliche (humorige) Nacherzählung des gegenseitigen Kennenlernens und der jeweiligen Eigenheiten des Brautpaares. Und natürlich noch vorgelesene Briefe von nahen Menschen und etwas Musik aus der Konserve für Zwischendurch. Unser „Spaß haben“ durften wir immer mal wieder durch Applaus einbringen.

Durchaus ermutigt durch die beherzte Moderation. Dass es auch – von Wünschen unterbrochene – hilfreiche Hinweise für eine gelungene Ehe, die Liebe und das Leben zu zweit gab, war wahrscheinlich abgesprochen: „Das ist doch eine gute Voraussetzung für eine perfekte Familie“.

Fast hätte ich vergessen zu erwähnen, dass das Brautpaar mit Kind erschienen war. Das erklärt auch, dass

es von Gästen ein kleines Geschenk nebst Karte zur Taufe des Kindes gab. Das war aber weiter nicht schlimm, weil es ja so etwas ähnliches wie eine Taufe war. Für den Preis von 1.500 Euro hat die Traurednerin tatsächlich eingelöst, was sie unter einer freien Trauung versteht: „… meint lediglich, dass sie keinen theologischen oder geistlichen Inhalt hat.“ Bingo.

Was aber bleibt als Eindruck, außer, dass es zu lang, zu teuer und zu „ungeistlich“ war? Geistlich war die Feier ja doch auf indirekte Weise. Denn was wäre so anders gewesen, wenn die Trauerrednerin einen Talar getragen und ein passendes Bibelwort statt der „guten Wünsche“ gesprochen hätte?

Einer Pfarrerin hätte man womöglich Lob gezollt und wäre erstaunt gewesen, dass eine kirchliche Trauung derart locker, fröhlich und persönlich sein konnte. Wo man doch der Annahme war, dass „Kirche immer so einen Stock im Arsch hat“.

Allerdings unterscheidet sich der Zugang zu Trauredner:innen und den Angeboten kirchlicher Trauungen an einem Punkt wesentlich: Online finde ich die „Freien“ besser und schneller als die „zuständige“ Kirchengemeinde oder eine Pfarrperson.

Da hilft es auch nicht, wenn die Kirche einen hohen Turm hat, den alle von weitem sehen können. Die Sichtbarkeit für (junge) Menschen, die ihre Hochzeit feiern wollen und einen professionellen Rahmen mit einem „Gesamtpaket“ und „Bausteinen“ suchen, liegt im Digitalen.

Und hier punktet die Traurednerin eindeutig, weil sie zeitgemäß Optionen bietet, aus denen man sich „Eigenes“ basteln kann. Man mag diese „bricolage“ bedauern, es als modischen Zeitgeist abtun, wenn die „Freien“ eher gebucht als die Kirchen gesucht werden; es liegt genau daran, dass es klar formulierte und vor allem auffindbare Angebote gibt.

Und die gibt es in den Kirchengemeinden so nur sehr selten. Es muss nicht jede Gemeinde ein Alternativangebot zu einer Traurednerin machen, nicht jedes Kirchengebäude lädt dazu ein, nicht jede Pfarrperson möchte sich auf Trauungen spezialisieren.

Was aber spricht dagegen, in einem Kirchenkreis gemeinsam ein örtliches und personelles Angebot zu entwickeln, das neben der klassischen Trauung im Kirchenraum auch im Freien, an anderen Orten bereit ist, individuelle Feiern zu ermöglichen?

Kirchliche Räume bieten sich meist (noch) nicht als „coole“ Location an, das Catering könnte in Zusammenarbeit mit lokalen, darauf ausgerichteten diakonischen Einrichtungen angeboten werden und vor allem musikalisch kann manche Gemeinde Schlager aus der Konserve mit Chor oder Instrumentalmusik überbieten. So ein Angebot muss sich in jedem Fall messen lassen an dem, was auf dem Hochzeitsmarkt in der Region kommerziell schon geschieht.

Hochzeitsmessen werden in den letzten Jahren zum Glück regelmäßig genutzt, sich gemeinsam mit privaten Anbietern dem Publikum vorzustellen. Und auch Aktionen für Spontantrauungen und Segnungen für Paare sorgen für mehr Aufmerksamkeit.

Mein Erleben mit der Traurednerin hat mich davon überzeugt, dass es einen Schritt weiter gehen muss. Es braucht regional ein Gesamtpaket „Kirchliche Trauung“: konzentriert auf geeignete und dafür gut ausgestattete Orte, spezialisierte und dafür entlastete Pfarrpersonen, Zusatzangebote je nach örtlichen Möglichkeiten durch Kooperationspartner, was die (anschließende) Feier angeht.

Ob dieses Paket durch eine Agentur, ein Büro, eine Servicestelle beworben und organisiert wird, ist nicht entscheidend. Es geht nicht um den Wettbewerb auf dem Markt der Eventdienstleister. Es geht in erster Linie darum, kirchliches Handeln sichtbar und zugänglich zu machen und es so professionell zu gestalten, dass man den Unterschied zwischen „frei“ (Wünscheflut) und geistlich (Segen) wirklich spürt.