Die Theologin und Poetin Dorothee Sölle starb vor 20 Jahren
Obwohl die 1929 in Köln geborene Poetin und Theologin nie einen Lehrstuhl in Deutschland innehatte, war sie eine der einflussreichsten theologischen Denkerinnen des letzten Jahrhunderts. Ihr Todestag jährt sich am 27. April zum zwanzigsten Mal.
Dorothee Sölle studierte Theologie, Philosophie und Literaturwissenschaft, machte 1954 ihr Staatsexamen und promovierte. Die Mutter von vier Kindern habilitierte sich 1971. Sie arbeitete zunächst als Lehrerin an einer Schule, dann im Hochschuldienst. Von 1975 bis 1987 lehrte sie auf einer Professur für systematische Theologie in New York. Erst 1994 erhielt sie die Ehrenprofessur
der Universität Hamburg
Schon im Elternhaus setzte sie sich mit Politik auseinander. Sie sagt in einem 1999 aufge-
nommenen Essay (SWR): „Ich verdanke meinen nazikritischen Eltern viel.“ Aber doch, so
erzählt sie im Rückblick, fragte sie sich, ob man nicht eine stärkere Verwurzelung benötigte,
als sie der postchristliche Humanismus mit Goethe und Thomas Mann bieten könne.
Und in der Begegnung mit ihrer Lehrerin Marie Veit, die bei Bultmann promoviert hatte,
erschlossen sich ihr neue Horizonte. „Sie brachte mir bei, dass man seinen Verstand nicht
an der Kirchentür abgeben musste, um naiv, geistlos und demütig Christin zu werden“.
Jesus faszinierte sie. „An die Liebe glauben ist mehr als den himmlischen Knopfdrücker anzubeten.“
Die Auseinandersetzung mit einem scheinbar allmächtigen Gott ist ein Ursprung ihres theologischen
Denkens. “Omnipotenz ist nicht das höchste, was man von Gott sagen kann.
Der Allmachtswahn hat in der Geschichte des Christentums vor allem Unglück erzeugt.“
Und dann kommen Sätze, die auch noch heute provozieren:
„Dieser Herrschergott ist in der Tat tot.
Sölle faszinierte der Traum von einem anderen Leben, in dem die Tränen abgewischt wer-
den und die Ängste nicht mehr die Herrschaft über Menschen behalten. Sie liebte die Bibel
und hat lange unter der Überschrift „Theologie nach dem Tode Gottes“ mit dem überkomme-
nen Christentum gerungen. Dies war für sie, so erzählt sie rückblickend, der Widerspruch einer
jungen Frau, die mit dem Horror der Nazizeit nicht so schnell fertig wurde. Die herrschende
Theologie träumte weiter von der Allmacht Gottes. „Hatte denn Gott auch in Auschwitz
alles so herrlich regieret?“ Hätte er eingreifen können?
Kurt-Helmuth Eimuth
Publizist
Kiel