Eine starke Frau – Katharina Staritz

Eine starke Frau – Katharina Staritz

„Ich beglückwünsche Sie zu einem außerordentlich guten Examen und dem vielen Wissen, was sie gezeigt haben. Es tut mir nur leid, dass Sie das alles gar nicht mehr verwenden können.“ Die Worte, mit denen man Katharina Staritz 1928 zum ersten Theologieexamen gratulierte, muten wie blanker Zynismus an. Die damals 25-Jährige ließ sich nicht beirren. Wenig später wurde sie an der Theologischen Fakultät Marburg als eine der ersten Frauen hierzulande promoviert. Nach dem zweiten Theologieexamen in ihrer Heimatstadt Breslau hat man sie 1932 mit der Jugend- und Frauenarbeit sowie Kinderklinik-Seelsorge betraut. Als Vikarin wohlgemerkt; das Pfarramt war Männern vorbehalten. Daran änderte auch ihre 1938 erfolgte Ordination und Berufung zur Beamtin auf Lebenszeit nichts.

Dass Katharina Staritz in Breslau für sogenannte „Judenchristen“ zuständig war, sollte sich in Zeiten des nationalsozialistischen Terrorregimes als Segen für die Betroffenen erweisen. Der Bekennenden Kirche angehörend, leitete sie ab 1939 die Außenstelle des Berliner „Büro Pfarrer Grüber“, eine Hilfsstelle für „nicht-arische“ Christen. Sie verhalf über einhundert Frauen und Männern zur Auswanderung und damit zum Überleben. Die Kirchenleitung missbilligte ihr Handeln und setzte ihm 1941 schließlich ein Ende. Katharina Staritz hatte in einem Rundbrief das verordnete Tragen des Judensterns attackiert und die Pfarrer an ihre christliche Verantwortung gegenüber den getauften Jüdinnen und Juden gemahnt. Daraufhin wurde sie von allen Dienstobliegenheiten beurlaubt und gedrängt, Breslau zu verlassen.

Sie siedelte nach Marburg um, lahmlegen und mundtot machen ließ sie sich aber nicht. Ihr widerständiger Geist blieb auch den Nationalsozialisten nicht verborgen. 1942 verfrachteten sie Katharina Staritz zuerst ins „Arbeitserziehungslager Breitenau“, dann ins Konzentrationslager Ravensbrück. Dass sie nach einem Jahr „probeweise“ entlassen wurde, hatte die Theologin ihrer Schwester Charlotte zu verdanken. Deren unermüdliches Insistieren bei Kirchenbehörden wie bei den Nationalsozialisten zeitigte am Ende Erfolg. Zurück in Breslau und unter Aufsicht der Gestapo zur Untätigkeit verdammt, ist Katharina Staritz im Januar 1945 mit Schwester und Mutter nach Marburg geflüchtet. Der Vater war bereits verstorben.

Die Landeskirche Kurhessen-Waldeck beauftragte sie zwar mit Vertretungsdiensten, Gefängnisseelsorge, Religionsunterricht und dem Entwurf einer Vikarinnen-Ordnung. Ihre Ordination wurde allerdings nicht anerkannt. Martin Niemöller holte sie schließlich 1949 als Vikarin für Frauenarbeit an die Frankfurter Katharinenkirche. Ein halbes Jahr später ernannte er dann Katharina Staritz zur Beamtin auf Lebenszeit und führte sie 1950 als Stadtvikarin für Frauenarbeit ein. Es war deutschlandweit die erste Planstelle für eine Theologin. Helga Engler-Heidle, die in der Mainmetropole das Frauenpfarramt von 1985 bis 2001 begleitete, hat sich eingehend mit dem Leben und Wirken ihrer Vorgängerin befasst und kann deren unentwegten Kampf nur bewundern.

Katharina Staritz habe darauf bestanden, pfarramtliche Aufgaben wie Gottesdienste und Predigten zu übernehmen. Ihre Amtsbrüder seien deshalb empört gewesen und hätten ihr das Leben schwer gemacht – ausgenommen Wilhelm Fresenius, der einer der führenden Vertreter der Bekennenden Kirche war. Für Helga Engler-Heidle steht außer Zweifel: „Katharina Staritz war eine große Theologin, die mit ihrem Engagement während des NS-Regimes und ihrem Einsatz für die Gleichstellung von Frauen im Amt praktisch auf ein Privatleben verzichtete. Sie hätte sich auch gerne habilitiert, was Frauen aber damals nicht möglich war.“

Die Früchte ihres Bemühens blieben Katharina Staritz weitgehend versagt. Wegen einer Krebserkrankung schied sie 1952 aus dem Dienst und verstarb Anfang des Folgejahres mit 49 Jahren. Zum Bedauern von Helga Engler-Heidle erinnert in der hessen-nassauischen Kirche nichts an die Verdienste der großen Theologin.

Ihre direkte Nachfolgerin im Frauenpfarramt Gerlind Schwöbel habe 1990 eine Staritz-Biografie geschrieben und sich lange Zeit erfolglos für eine Gedenktafel eingesetzt. Die gebe es bis heute nicht.

In Frankfurt hat die Gemeinde Bockenheim auf der freien Fläche um das Grab von Katharina Staritz, ihrer Schwester und ihrer Mutter inzwischen ein Gemeinschaftsgrab geschaffen und im Zuge der Arbeiten die Kreuze der drei Frauen restauriert. Da regelmäßig Anfragen von Besuchergruppen kommen, wird die Friedhofsverwaltung am Eingang einen Hinweis sowie eine Infotafel am Grab installieren. Für Dore Struckmeier-Schubert, die sich in der Bockenheimer Gemeinde für das Gemeinschaftsgrab engagierte, setzt die sichtbare Präsenz des Grabs von Katharina Staritz, gerade in Zeiten von wachsendem Antisemitismus und rechter Hetze, ein deutliches Zeichen.

Quellen:
Ilse Meseberg-Haubold, Dietgard Meyer, Hannelore Erhart: „Katharina Staritz, Dokumentation 1903–1942, Bd. 1“, Vandenhoeck & Ruprecht, 2002, 575 Seiten, ISBN-10: 3788716827
„Katharina Staritz Dokumentation 1903–1953, Bd. 2“, Vandenhoeck & Ruprecht, 2022, 629 Seiten, ISBN: 978-3-525-56062-4