Zur Diskussion zum Pfarrbild
Im Jahr 2022 betrug die durchschnittliche Jahresarbeitszeit eines Angestellten in Vollzeit in Deutschland 1.588 Stunden. Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit der Pfarrer:innen in der EKHN beläuft sich derzeit zwischen 1.840 und 2.208 Stunden. Jetzt sind Pfarrer:innen keine Angestellten, sondern Beamt:innen. Aber auch
hier gibt es eine vergleichbare Ordnung.
In der EKHN werden Pfarrer:innen gemäß der Bundesbeamtenbesoldungstabelle besoldet. Dementsprechend ist es konsequent zu schauen, wie die Arbeitszeit bei den Bundesbeamt:innen geregelt wird. In §3 Abs. 1 Satz 1 der „Arbeitszeitverordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamte (Arbeitszeitverordnung – AZV)“ steht: „Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 41 Stunden.“
Mit der Regelung der AZV haben wir also einen vergleichbaren und belastbaren Wert als Arbeitszeit.
Diesen Ansatz hat sich die Evang. Kirche im Rheinland (EKiR) und die Pfarrvertretung der EKiR, nach einem längeren Prozess, auf ihrer Frühjahrssynode zu Herzen genommen und für die Pfarrer:innen der EKiR die 41-StundenWoche als Jahresdurchschnittsarbeitszeit eingeführt. Dies bedeutet aber nicht, dass Pfarrer:innen nach 41 Stunden den Stift fallen lassen. Die Regelung als Durchschnittszeit bedenkt, dass es Wochen gibt, wo deutlich mehr als 41 Stunden gearbeitet wird, dass es aber auch Wochen gibt, wo deutlich weniger Arbeitsstunden anfallen. Gemeinsam mit den Presbyterien und Superintendent:innen sollen Pfarrer:innen nun tragbare Pfarrdienstordnungen erstellen, die dafür sorgen, dass im Schnitt 41 Stunden möglich sind.
Auch für den Fall, dass Pfarrer:innen deutlich mehr als die 41 Stunden arbeiten und den/die Superintendent:in im Rahmen der Fürsorgepflicht um Entlastung bitten, ist eine Regelung gefunden. Sollte im Schnitt nachgewiesen werden, dass durch die Pfarrdienstordnung mehr als 44 Stunden in der Woche gearbeitet wird, muss nachjustiert werden.
Ziel ist es im Rahmen der Salutogenese, dass Pfarrer:innen ihrer Berufung nachgehen können aber auch Luft und Raum zur Erholung haben. Für Gemeinden würde dies bedeuten, dass ein Konzentrationsprozess stattfinden muss.
Denn mit der 41-Stunden-Woche würde auch deutlich gemacht, dass Pfarrer:innen nicht an allen Veranstaltungen teilnehmen können. Da im Rahmen von ekhn2030 in diesem Bereich sowieso ein Konzentrationsprozess stattfi nden muss, würde es sich anbieten die 41-Stunden-Woche innerhalb des Prozesses zu integrieren. Auf diese Weise würden die Landeskirche und die Synode deutlich machen, dass die immer wieder erwähnte Entlastung der Pfarrer:innen wirklich gewollt ist.
Somit müssten die Dienstvorgesetzten und Kirchenvorstände auch klar entscheiden, was zu den Aufgaben einer Pfarrperson gehört und welche Aufgaben nicht dazugehören.
Zusätzlich würde dadurch auch für die Gesundheit der Pfarrer:innen gesorgt und das Familienleben gestärkt. Ebenso wäre eine solche Regelung auch eine Unterstützung in der Phase von zunehmenden Vakanzen. Denn es müsste klar geregelt werden, dass die Vakanzvertretung nicht immer weiter „ontop“ geht, sondern im geregelten Zeitrahmen mitbewältigt werden muss.
Hierdurch könnte der vakanten Gemeinde, als auch der Gemeinde wo die Vakanz vertretende Pfarrperson die Inhaberschaft innehält, klar gemacht werden, dass Pfarrer:innen mit Vakanz-Vertretungsauftrag nicht alles im normalen Umfang bewältigen können und von der Gemeinde und den Kirchenvorständen in dieser Zeit unterstützt werden müssen.
Für die Dekan:innen bedeutet dies freilich, dass sie im Rahmen einer Fürsorgepfl icht gegenüber der Pfarrperson schauen müssen, dass die Aufgaben im Zeitrahmen zu bewältigen sind. Auch mit Blick auf den Nachwuchs hätte eine solche Richtungsentscheidung eine Bedeutung. Denn während in der freien Wirtschaft über die Vier-Tage-Woche gesprochen wird; während große Firmen dafür sorgen, das nach Dienstschluss dienstliche E-Mails nicht mehr zugestellt werden, ist eine klarere Arbeitszeitregelung im Pfarrdienstverhältnis ein Signal an junge Menschen, dass auch die Kirche daran interessiert ist, für eine zeitgemäße Lebensform bei den Pfarrer:innen zu sorgen.
Einen Dammbrucheffekt halte ich indes für äußerst unwahrscheinlich. Ich sehe mehr eine Chance für Luft und Raum für Kreativität; denn ein erholter Geist ist ein kreativerer Geist. Zudem kann eine Richtungsentscheidung ein erstes, effektives Mittel für die dauerhafte Gesundheit der Pfarrer:innen darstellen. Die EKiR hat den ersten Schritt gemacht. Die EKHN war und ist in vielen Bereichen immer schon eine Kirche gewesen, welche den Mut hatte, eine Vorreiterrolle in vielen Bereichen zu spielen. Zum Wohl und zur Gesundheit der Pfarrer:innen und als Signal an interessierte Menschen für den Pfarrberuf, wäre daher eine Arbeitszeitregelung ein zukunftsweisendes Signal, welches dafür sorgen könnte, dass Pfarrer:innen bis zum Ruhestand Energie und Kraft für einen der herausforderndsten und schönsten Berufe der Welt haben. Was nötig ist, ist der Mut der Kirchenleitung, verwaltung und der Synodalen eine solche Regelung einzuführen.