„Real Life“

Digitale Mediennutzung bei Jugendlichen

Kurz die Nachrichten auf Whatsapp checken. Eine Story auf Instagram posten. Noch eine Runde auf der Switch zocken. Oder lieber die Lieblingsserie auf Netflix streamen? Immer up to date. Jederzeit erreichbar. Mit der ganzen Welt vernetzt. Digitale Medien lassen sich aus unserem Leben nicht mehr wegdenken. Virtuelle Realitäten und Alltagsleben sind dabei zunehmend verzahnt. Die Antwort auf eine Frage nur noch einen Klick entfernt. In Vielem bereichern digitale Medien unseren Alltag. Doch wo ist der Spaß begrenzt? Ab wann ist Mediennutzung schädlich?

In unserer Fachberatung Medien „Real Life“ bieten wir eine Beratung für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 21. Lebensjahr und ihre Eltern/Bezugspersonen an, die seit der Corona-Pandemie verstärkt genutzt wird. So erleben wir, dass die Verunsicherung der Eltern bezogen auf den Medienkonsum der Kinder deutlich zugenommen hat. Unsicherheit herrscht vor allem über das richtige Maß und inwieweit Eltern Grenzen setzen und Regeln vorgeben sollen. Auch der Vergleich mit anderen Kindern und Jugendlichen und besondere Gegebenheiten der Schulen, z.B. Laptop-Klassen, spielen eine Rolle. Eine Schwierigkeit für die Eltern hierbei ist, dass sie in diesem Bereich, im Gegensatz zu anderen die Erziehung betreffenden Themen, zumeist über keine entsprechenden Erfahrungswerte aus ihrer eigenen Jugend zurückgreifen können. Daher ist die Verunsicherung oftmals groß.

Die Nutzung von Medien im Allgemeinen und Angeboten wie Instagram, Tik-Tok, Youtube, Spiele usw. im Besonderen, gehören heutzutage unbedingt zum Lebensalltag der Jugendlichen. Die Frage stellt sich, welche Bedeutung diese für Jugendliche haben. Hierfür ist es wichtig sich die Lebensphase der Adoleszenz genauer vor Augen zu führen. Während Jugendliche in der Kindheit meist fest in die Familie verankert waren, löst sich das „Wir-Gefühl“ nun mehr und mehr auf. Regeln und Wertevorstellungen der Eltern werden Stück für Stück zugunsten neuer Ideen und Impulse in Frage gestellt. Im Kontakt mit Freunden, der nun wichtiger scheint als die Beziehung zu den Eltern, wird mit Rollen und Meinungen experimentiert. Jugendliche probieren sich aus und neigen zu grenzüberschreitendem Verhalten. Eine fordernde Zeit sowohl für sie als auch für ihre Familien, besonders da sich die Adoleszenz durch längere Ausbildungswege und eine spätere Familiengründung, oft bis in die Mitte der 20er Jahre hinziehen kann.

Doch was ist das Ziel dieser, gewiss sehr anstrengenden Zeit? Am Ende der Adoleszenz steht – bei gutem Verlauf – ein kompetenter erwachsener Mensch, dem die Ablösung von den Eltern zugunsten einer von ihnen losgelösten stabilen eigenen Identität gelungen ist. Und welche Rolle spielen nun digitale Medien bei dieser Entwicklung? Ihnen kommt eine wichtige Rolle zu. Sie ermöglichen Jugendlichen, sich in dem für sie wichtigen Rahmen von den Eltern abzugrenzen, sich mit Freunden zu vernetzen und sich im Rahmen der Selbstentwicklung auszuprobieren. Dennoch bergen digitale Medien verschiedene Risiken, was die von ihnen selbst ins Netz gestellten Inhalte betrifft. Hier kommt den Eltern im Übergang von der Kindheit ins Jugendalter eine wichtige Rolle zu, indem sie ihre Kinder zunächst begleiten und schließlich mehr und mehr in die eigenverantwortliche Nutzung entlassen. Hierbei ist besonders zu beachten, dass Jugendliche zu einem verminderten Gefahrenbewusstsein neigen und ihre Fähigkeiten altersgemäß zumeist überschätzen.

Was, wenn Kindern stundenlang vor dem PC/Handy sitzen und kein Ende kennen? Eine intensivere Nutzung im Jugendalter ist zunächst nicht automatisch ein Problem, sondern geschieht oftmals im Rahmen der oben beschriebenen normalen Entwicklung, zu der auch exzessives Verhalten in anderen Bereichen zählen kann. Hier ist daher besonders wichtig, auf Anzeichen zu achten, die helfen können eine problematische von einer unproblematischen Nutzung zu unterscheiden. Indizien für eine problematische Nutzung können das Fehlen von Freund:innen, Probleme in der Schule und ausgeprägte Zurückgezogenheit sein. Auch eine Vernachlässigung von Körperhygiene und ein dauerhaft verschobener Tag-Nacht-Rhythmus geben Anlass zur Sorge. Besonders gefährdet sind introvertierte Kinder, für die soziale Kontakte immer eine besondere Herausforderung darstellten. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sie sich in der medialen Welt verlieren und aufgrund von bestehenden sozialen Ängsten Gefahr laufen, Angebote des Internets dauerhaft realen Kontakten vorzuziehen.

Was können Eltern tun, um Kinder in der Adoleszenz bestmöglich zu unterstützen? Wichtig ist, auch in dieser Zeit weiter als greifbare Gegenüber präsent zu sein, ohne dabei die Autonomieentwicklung des/der Jugendlichen zu unterbinden. Eltern sollten Auseinandersetzungen nicht scheuen, dabei jedoch die besondere Entwicklungsaufgabe im Blick haben. Sie müssen zulassen, dass Jugendliche eigene Erfahrungen machen, aus denen sie lernen können (z.B. nicht für die Klausur lernen = schlechte Note, Wäsche nicht waschen = keine frischen Socken). Sie sollten jedoch einschreiten, wenn Jugendliche sich durch Selbstüberschätzung in Gefahr bringen und dann unbedingt wegweisende Funktion übernehmen. Sollten sich die Fronten zuhause verhärten und die adoleszenten Konflikte überhandnehmen, ist es an den Eltern, Hilfe zu suchen und Beratung in Anspruch zu nehmen.

Was die Nutzung von digitalen Medien angeht, ist es wichtig nicht zu pauschalisieren, sondern genau hinzusehen. Das ist es, was die Arbeit unserer Beratungsstelle ausmacht. Wir betrachten den Einzelfall und erarbeiten mit Jugendlichen und/oder Eltern individuelle Lösungswege. Sollte unsere Beratung nicht ausreichen, besprechen wir mit den Familien alternative und weiterführende Hilfsangebote und vermitteln gerne an andere Stellen weiter. Weitere Informationen unter: www.dw-region-kassel.de