Was ist mit dem Leid?

„Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht, oder er kann es und will es nicht, oder er kann es nicht und will es nicht, oder er kann es und will es. Wenn er nun will und nicht kann, so ist er schwach, was auf Gott nicht zutrifft. Wenn er kann und nicht will, dann ist er missgünstig, was ebenfalls Gott fremd ist. Wenn er nicht will und nicht kann, dann ist er sowohl missgünstig wie auch schwach und dann auch nicht Gott. Wenn er aber will und kann, was allein sich für Gott ziemt, woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht weg?“ (Epikur, Von der Überwindung der Furcht – aus Gunda Schneider-Flume: Wenig niedriger als Gott. Biblische Lehre vom Menschen. Leipzig 2013, Seite 72)

Die Frage nach dem Grund des Leidens und dessen Vereinbarkeit mit Gott, die Epikur erstmals philosophisch prägnant und zugespitzt formuliert hat, zieht sich wie ein roter Faden durch die Theologiegeschichte, ohne je ihrem logischen Dilemma entrinnen zu können.

In der christlichen Tradition wurde Hiobs Haltung zum paradigmatischen Umgang mit der Theodizeefrage erklärt. Dabei wurde „Hiob“ mit dem Ideal des frommen und gottergebenen Dulders der Rahmenerzählung (Hiob 1-2; 42,7-16) in eins gesetzt und zum Vorbild eines ehrfürchtigen Gottesglaubens erklärt. Der angefochtene Hiob allerdings, der angesichts seines Leidens zuerst mit seinen Freunden, dann mit sich und immer mehr mit Gott um seine Gerechtigkeit ringt und dabei in eine tiefe existentielle Krise gerät (Hi 3-42,1-6), tritt meist dahinter zurück, obwohl gerade diese Haltung im Epilog von Gott als einzig angemessen und vorbildlich im Umgang mit dem Leiden herausgestellt wird.

Hiob ist der Protagonist eines angefochtenen Glaubens, der sich im Leiden bewährt, weil er nicht von Gott ablässt, sondern seine Zuflucht sucht bei Gott gegen Gott, der sich vor allem für ihn verbürgt hat und hinter allem Leiden ihm als der Schöpfergott zugetan bleibt. Er ist ein existentielles Paradox, aber nur dadurch, dass er die Widersprüche durchhält und durchlebt, erfährt und sich neu findet, ohne verloren zu gehen. Weil er mit Gott gegen Gott ins Gericht geht und ihn anklagt, verliert er auch seinen Glauben und seine Hoffnung nicht, sondern erfährt sich in allen und trotz aller Widersprüche von Gott bewahrt. Er findet sich sozusagen durch seinen Kampf in einem anderen, weiteren Horizont wieder… Damit weist er auf gewisse Weise auf das Karfreitagsgeschehen voraus, an dem offenbar wird, wie und wer Gott im Leiden für uns ist.

Theologie: Leiden gehört zum Menschsein und zur Vergänglichkeit menschlichen Lebens. Der Gläubige, der sich von Gott her empfängt und vor Gott sieht, wird in der Widerfahrnis von Leid in seinem Vertrauen zu Gott erschüttert und angefochten, ja, bis in die letzte Verzweiflung geführt und getrieben, weil der Gott, der ihm zugesagt hat, für ihn und mit ihm da zu sein, sein Leiden, seine Ohnmacht und seine Zweifel zulässt und an ihm geschehen lässt.

Das führt Hiob in die Klage gegen Gott, den er als Garant der Gerechtigkeit anruft, den er bittet und mit dem er ringt. Gott, der im Leiden für ihn verborgen bleibt, wird von Hiob in Frage gestellt und sogar „gelästert“, doch Hiob lässt nicht von ihm ab, er sucht bei Gott seine Zuflucht gegen Gott und er rechtet mit Gott, bis Gott ihm antwortet und sich ihm neu zu erkennen gibt.

Gott zeigt sich ihm als Schöpfer, der alles hervorbringt und dem Chaos die Grenzen setzt, der größer und mächtiger ist, als Menschen es erkennen und verstehen können. Gott verteidigt und rechtfertigt die Haltung Hiobs gegenüber dessen Freunden, weil Hiob nicht über Gott, sondern zu Gott geredet hat und sich darin vor Gott erfährt. Hiob erfährt und erkennt sich neu als Geschöpf in der Schöpfung Gottes, in deren Ordnung er seinen Platz hat und in der er bewahrt und geborgen bleibt durch Gottes unendliche, geheimnisvolle Macht und Herrschaft in und hinter allem Leiden. Er bekennt schließlich, dass er Gott vor seinem Leiden und seiner Anfechtung nur vom Hörensagen kannte, aber dass er ihn nun selbst geschaut hat.

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